Bürgermeister Riedmann kritisiert Vertragsgebaren zur Südumfahrung

 

In seiner Stellungnahme im Gemeinderat wählt der Markdorfer Rathauschef klare Worte an Landrat Lothar Wölfle und seinen Vorgänger Bernd Gerber

Ein Sattelzug passiert die B-33-Ortsdurchfahrt in Leimbach. Kritiker der Südumfahrung Markdorf monieren, dass das als Kreisstraße geplante Vorhaben eine verkappte Bundesstraße sei.

In deutlichen Worten, aber mit einer zum Schluss versöhnlichen Wendung in Richtung Landratsamt hat Bürgermeister Georg Riedmann am Dienstagabend im Gemeinderat das Vorgehen beim Finanzierungsvertrag vom Sommer 2013 zur Südumfahrung kritisiert. Durch den Vertragsschluss durch Landrat Lothar Wölfle und den damaligen Bürgermeister Bernd Gerber sei "die komplette Entscheidungshoheit für das Projekt von der Stadt Markdorf auf den Landkreis und den Kreistag überführt" und so in eine "Blankoverpflichtung" eingetauscht worden, sagte Riedmann. Dem Markdorfer Gemeinderat sei die Möglichkeit zur weiteren Diskussion bereits 2013 genommen worden. "Das ist nach meinen Maßstäben weder der politischen Bedeutung des Gemeinderates noch der Größe des Projektes angemessen", betonte Riedmann. Auch Gerbers Verhalten wollte Riedmann nicht gutheißen: "Bedauerlich ist, dass mein Vorgänger, Bürgermeister Gerber, den Gemeinderat anlässlich seiner letzten Sitzung im Juli 2013 über diese Unterschrift nicht mindestens in Kenntnis gesetzt hat."

Riedmann verwies zur Verdeutlichung auf das Beispiel Bischofsschloss-Umbau als ein Projekt vergleichbarer Tragweite. Dort sei man sich in der Februar-Sitzung einig gewesen, dass dem Rat bei jedem wichtigen Verfahrensschritt die Abwägung von Kosten und Nutzen erneut vorbehalten bleiben müsse. Auch bei der Südumfahrung, an deren nicht förderfähigen Kosten sich die Stadt hälftig beteilige, wäre es seine "selbstverständliche Erwartung" gewesen, dass gegen Ende des Prozesses nicht nur der Kreistag als Bauherr, sondern auch der Gemeinderat nochmals darüber hätte befinden und entscheiden können.

"Ich als Bürgermeister hätte diesen Beschluss nicht vorwegnehmen wollen", so Riedmann. Ihm erschließe sich auch nicht, weshalb direkt nach der Bürgermeisterwahl am 30. Juni 2013 der Vertrag unterzeichnet werden musste. Es habe weder einen Zusammenhang mit Befassungen in Kreistag und Gemeinderat noch konkrete Planungsfortschritte gegeben.

Gerber war seinerzeit im Juli 2013 vom Landratsamt gebeten worden, eine Vereinbarung zu unterzeichnen. In einer nichtöffentlichen Vorlage für den Gemeinderat am 14. Februar hatte Riedmann eine konkretere Formulierung gewählt: "In der Tat wurde Bürgermeister Bernd Gerber im Juli 2013 durch das Landratsamt gebeten, eine solche Vereinbarung zu unterzeichnen, da man offensichtlich wegen der im Wahlkampf formulierten differenzierten Haltung zur Südumfahrung aller Bürgermeisterkandidaten und auch des schließlich gewählten Bürgermeisters in Sorge um die Haltung der Stadt Markdorf zum Projekt geraten war."

Riedmann betonte, dass sich seine persönliche Haltung nicht geändert habe. Er befürworte die Südumfahrung, lehne aber den Planungsfall 7.5 auf der aktuell vorgesehenen Trasse wegen der negativen Auswirkungen auf Ittendorf ab. Für ihn gebe es einen Zusammenhang zwischen den B-31-neu-Planungen und der Südumfahrung. Deshalb wünsche er sich, die 7.5-Linienführung vor Baubeginn der Südumfahrung geklärt zu wissen und plädiere auch für einen "geduldigen Umgang" mit dem Planfeststellungsbeschluss.

Was den Vertrag selbst anbelange, gehe er davon aus, dass er rechtlich nicht zu beanstanden sei. Er sei aber überzeugt, dass der Landkreis trotz der "Pauschalverpflichtung" der Stadt Markdorf auch weiterhin einen Umgang auf Augenhöhe ermöglichen werde. Ein Vertrag sei immer so gut, wie die Zusammenarbeit der Vertragspartner. "Ich bin überzeugt davon, dass der Kreistag keinen Baubeschluss zur Südumfahrung Markdorf fassen wird, ohne eine Einschätzung der Stadt Markdorf dazu zu kennen", so Riedmann.


UWG: Antrag auf rechtliche Prüfung

Der Vertragsschluss vom Sommer 2013 sei mit dem in der Gemeindeordnung festgelegten Anspruch des Gemeinderates auf Unterrichtung durch den Bürgermeister bei allen wichtigen Planungen nicht vereinbar, sagte UWG-Chefin Susanne Deiters Wälischmiller. Laut Hauptsatzung der Stadt dürfe der Bürgermeister zudem nur über einen Maximalbetrag von 30 000 Euro selbst entscheiden, darüber hinaus sei der Gemeinderat einzubeziehen. Wie passe die getroffene Vereinbarung in diesen Rahmen, fragte sie. Und warum plötzlich die Eile kurz vor Gerbers Dienstende? "Sollten hier vollendete Tatsachen geschaffen werden?" Beim Bürgerentscheid in 2003 sei der Anteil der Stadt noch mit 1,67 Millionen Euro beziffert worden, nun mit 6,5 Millionen. Die Entscheidungsgrundlagen stellten sich heute in "deutlich anderem Licht" dar.

Weder seien Förderung noch Kostenhöhe klar, der Kreis bekomme einen "Freibrief". Die UWG legte in der Sitzung noch den Antrag auf eine unabhängige rechtliche Prüfung des Vorgangs als Auftrag an die Verwaltung vor. Der Landkreis als Vertragspartner dürfe die Prüfung nicht vornehmen. Zudem sei zu prüfen, ob die Kommunalaufsicht einzuschalten sei. Der Antrag soll in der nächsten Sitzung zur Abstimmung kommen. Bis dahin, so Riedmann, habe man eventuell eine erste Rückmeldung von der Kommunalaufsicht, die schon von anderer Seite angerufen worden sei. Das will die UWG prüfen lassen: Keine Kostenobergrenze, keine ordentliche Kündbarkeit, keine zeitliche Befristung, keine Einbeziehung des Gemeinderates beim Abschluss der Vereinbarung. Die UWG ist der Ansicht, dass der Vertragsschluss nicht von der damaligen Beschlusslage im Rat gedeckt war. (gup)

CDU: Enttäuscht vom Bürgermeister

Überaus verärgert über Riedmanns Stellungnahme zeigte sich CDU-Stadtrat Alfons Viellieber, betonte zugleich aber auch, dass seine Ausführungen teils auch seine persönlichen Ansichten seien und sich nicht unbedingt mit einer noch abzustimmenden CDU-Linie decken müssten. "Ich bin ehrlich enttäuscht von Ihrer Stellungnahme, sie ist für mich ein klarer Rückschritt", ging Viellieber mit Riedmann hart ins Gericht: "Ihre Ausführungen in Ehren, aber die Fakten sehen ein bisschen anders aus." Seit etlichen Jahren würden Rat und Verwaltung bereits am Thema Südumfahrung arbeiten. "Mit Verschiebungen oder Zurückrudern kommen wir nicht weiter", so Viellieber. Die Absicht von CDU und Ratsmehrheit sei immer klar und deutlich gewesen: "Die Südumfahrung muss kommen, um eine gute Entwicklung der Innenstadt zu garantieren." Er bitte auch darum, dass man frühere Beschlüsse des Gemeinderates akzeptiere. "Es gibt ganz klare Entscheidungen des Gemeinderates, die Sie ignorieren", warf Viellieber Riedmann vor. Den Vertrag habe zudem nicht nur Bernd Gerber, sondern auch Landrat Lothar Wölfle unterzeichnet. Er selbst sei "ein klarer Verfechter der Südumfahrung", so Viellieber und auch die Mehrheit des Gemeinderates habe stets das Straßenbauvorhaben befürwortet. Insofern sei der Vertragsschluss im Sommer 2013 in seinen Augen durchaus von einer entsprechenden Beschlusslage im Rat gedeckt gewesen. Von seiner Kritik an der Vorgehensweise bei dieser Vertragsunterzeichnung sei er daher wirklich enttäuscht, wiederholte Viellieber in Richtung Riedmann. Mehr wolle er dazu und zu diesem Zeitpunkt nicht sagen, da seine Verärgerung groß sei und er nicht unbedacht sein wolle. (gup)

FW: Weder Freibrief noch Blankoscheck

Ein Geheimvertrag? Eine Blankovollmacht? Was habe er nicht alles lesen müssen, bezog sich FW-Chef Dietmar Bitzenhofer auf die Leserbriefe, die der SÜDKURIER veröffentlicht hatte. Die Beschlüsse im Gemeinderat seien stets mehrheitlich zustimmend ausgefallen, die Sachlage sei also eindeutig gewesen, auch im Sommer 2013. Von 2008 bis 2013 hätten zudem 13 Grundstückskäufe der Stadt für die Südumfahrung den Gemeinderat passiert, gesamt 37 Hektar bei einem Volumen von 1,8 Millionen Euro.

 Auch in der mittelfristigen Finanzplanung im Haushalt sei die Südumfahrung seit 2012 aufgeführt gewesen. "Wer also sagt, der Gemeinderat habe nichts gewusst, sagt bewusst die Unwahrheit", so Bitzenhofer. Und die Teuerung als Kritikgrund anzuführen sei nun halt das "letzte Argument". Außerdem sei ein Vertrag kein Freibrief. Mit dem Land, dem Landkreis und der Stadt säßen weiterhin drei "regulative Gremien" im Boot. Wie es "passiert" sei, sei "halt unschön" gewesen. Damit spielte er auch auf den Umstand an, dass weder in der Stadtverwaltung noch offenbar im Landratsamt bis vor kurzem die Existenz des Vertrages bekannt war. Landrat Wölfle hatte noch im November 2016 von einer Notwendigkeit, einen solchen Vertrag abzuschließen, gesprochen. Und im Rathaus war der Vertrag schlicht verlegt worden oder in einer Schublade verschwunden. Dies, so Bitzenhofer, sei aber weder Riedmann noch Bauamtsleiter Michael Schlegel anzulasten, da damals beide noch nicht im Amt gewesen seien. Das mysteriöse Verschwinden sei eine Altlast aus der Zeit von Ex-Bauamtsleiter Thomas Kuntosch gewesen. "Wenn alles glatt gelaufen wäre, hätten wir ihn im Herbst 2013 auch zu Gesicht bekommen", so Bitzenhofer. (gup) 
 

SPD: Vertrag war nicht in Ordnung

"Mich verwundert schon, wie es der ein oder andere heute versucht, zu nivellieren", bezog sich SPD-Chef Uwe Achilles als letzter Redner der vier Fraktionen auf seine Vorredner Alfons Viellieber und Dietmar Bitzenhofer. "Ich finde Ihre klaren Worte klasse, Herr Riedmann", wandte er sich an den Bürgermeister. Man habe seinerzeit entschieden unter den Bedingungen von 2008 und auch damals nicht über ein Vertragswerk oder über eine "Kosten-Flatrate". Achilles: "Es wundert mich schon, wie großzügig da heute einige hier am Tisch sind." Über weit geringere Beträge, wie etwa bei der Ausgestaltung des WC-Häuschens am Bahnhof, diskutiere man lang und ausgiebig und nun spiele eine fehlende Kostenobergrenze im Falle der Südumfahrung plötzlich keine Rolle. Bislang sei es üblich gewesen, dass man im Rat über Verträge diskutiert und dann entschieden habe. Ihn jedenfalls habe es sehr überrascht, dass er vier Jahre später den Vertrag erstmals zu Gesicht bekommen habe und dass Riedmann bis zum Herbst 2016 nichts von dessen Existenz gewusst habe. "Ich kritisiere deutlich, dass ein Amtsträger dies tut", verwies Achilles auf Gerbers Rolle, "egal, ob er seinen Schreibtisch aufräumen wollte oder warum auch immer". So, wie der Vertrag zwischen Landkreis und Stadt im Sommer 2013 zustande gekommen sei, sei es definitiv nicht in Ordnung gewesen. "Wir sind der Zahlmeister", betonte der SPD-Fraktionschef mehrfach in seiner Stellungnahme. Doch mitzureden oder etwas zu entscheiden im weiteren Fortgang hätten Stadt und Gemeinderat nun nicht mehr. Aus diesem Grunde finde er es gut und richtig, dass Riedmann in seinem Bericht des Bürgermeisters deutliche Worte der Kritik an dem Vorgehen um den Vertrag gewählt habe. (gup)