So fuhr die Umfahrung Kluftern ins Aus

Verantwortliche der Verkehrsmediation erläuterten am Mittwochabend das Ergebnis des mehr als zweijährigen Verfahrens. Rund 150 Zuhörer waren zu dem

"Keine neue Straße, also keine K 7743 neu (OU Kluftern)": So lautete Anfang Mai das Ergebnis der Verkehrsmediation Kluftern, mit dem zu Beginn des über zweijährigen Verfahrens wohl kaum jemand gerechnet hatte. Angetreten war die Mediation mit dem Ziel, eine Trasse für eine Umfahrung Klufterns als gleichzeitigen Zubringer zur geplanten Südumfahrung Markdorf vom geplanten Knoten der B-31-neu bei Spaltenstein zu finden. Am Mittwochabend nun stellten die Verantwortlichen das Ergebnis im Bürgerhaus Kluftern vor – vor rund 150 interessierten Bürgern.

Kreistag sieht noch Prüfungsbedarf

Landrat Lothar Wölfle betonte nochmals die ergebnisoffene Zielsetzung des Verfahrens, verhehlte aber nicht, dass das Ergebnis im eigenen Kreistag offenbar Fragen aufwirft. Eigentlich hätte das Gremium sich am 31. Mai damit befassen sollen. Doch dazu kommt es nun nicht, nachdem wenige Stunden vor Beginn des Info-Abends der Umwelt- und Technikausschuss in einer nichtöffentlichen Sitzung weitergehenden Prüfungsbedarf angemeldet hatte – etwa zu der Art der geplanten verkehrsbremsenden Maßnahmen in der Klufterner Ortsdurchfahrt.

 

Umweltgutachter Burchard Stocks legte dem Publikum die Hintergründe dar, die zur Absage an eine OU Kluftern geführt hatten. Grundwasser- und Hochwasserprobleme sowie ein noch weit größeres Vorkommen der streng geschützten Bachmuschel an der Brunnisach als im Bereich der geplanten Südumfahrung Markdorf beförderten die bahnparallele Trasse (A1) und die ortsnahe Trasse A2 ins Aus. Claus Kiener vom Ulmer Büro Modus Consult verwies auf die geänderte Bewertungssituation mit dem nun beschlossenen Weiterbau der B 31 zwischen Immenstaad und Meersburg: Mit einer dann realisierten OU Hagnau, mit verkehrsbremsenden Maßnahmen auch in der Durchfahrt Kluftern und mit ausgebautem ÖPNV sei für Kluftern in 2030 eine nahezu gleich bleibende Verkehrsmenge (10 000 Kfz) zu erwarten wie es heute der Fall sei (10 400 bis 10 700 Kfz). Eine Ableitung für eine dringende Notwendigkeit einer OU Kluftern sei damit nicht mehr gegeben, sagte Kiener.

Alle Varianten kritisch

Im 156 Seiten umfassenden Schlussdokument der Mediation werden alle sechs Varianten als extrem kritisch eingestuft. Alleine die Trasse B (siehe Grafik) kam in eine finale Bewertungsrunde. Wie konfliktbehaftet alle Varianten gesehen wurden, zeigt sich an einem Farbenspiel im Dokument: Der "Referenzzustand", die jetzige Ortsdurchfahrt, wurde in der Umweltverträglichkeit mit Grün bewertet, es folgen auf der Skala Gelb, Orange, Rot und am Ende Lila. Die Variante B ist in der Mitte von Rot zu finden, die anderen fünf Varianten im lilanen Bereich. Akribisch aufgelistet: Für jede Variante gibt es einen je 40-seitigen Steckbrief zu den positiven und negativen Auswirkungen auf Mensch, Umwelt, Natur und Landschaft.

 

Frappierend: Für alle Varianten werden die Vorteile als klar nachrangig gegenüber den Nachteilen beurteilt. Vor allem aus umweltfachlicher Sicht werden sie durchweg als nicht realisierungswürdig eingestuft. Und vor allem: Alle Varianten bis auf Trasse B seien "rechtlich aller Voraussicht nach nicht realisierungsfähig".

Konflikte im Westen wie im Osten

Woran liegt das? In dem Schlussdokument findet sich auf Seite 112 grafisch dargestellt die Erklärung: Im Westen des Untersuchungsbereiches (Varianten A1 bis B) geriete eine Umfahrung vor allem in gravierende Konflikte mit der Landwirtschaft, Siedlungs- und Erholungsräumen und dem Hochwasserschutz, im Osten (Trassen C bis D2) mit Natur- und Artenschutz, Biotopen und Grundwasser. Vor allem das Hepbacher-Leimbacher Ried ist eine unüberwindliche Hürde für einen Straßenneubau. Wie geht es nun weiter? Am Montag wird das Ergebnis im Häfler Gemeinderat vorgestellt, zu einem späteren, noch nicht feststehenden Zeitpunkt im Kreistag. Beide Gremien werden dann über das weitere Vorgehen entscheiden.Rund 150 interessierte Bürger waren am gestrigen Mittwochabend ins Bürgerhaus Kluftern gekommen, um sich über das Ergebnis der Verkehrsmediation zu informieren. Die Verantwortlichen gingen ausführlich auf die Hintergründe ein. Bild: Helmar Grupp | Bild: Helmar Grupp

 

 

 

 

Das sind die Stellungnahmen der Mitglieder des Regionalforums

Das Schlussdokument der Mediation wurde einhellig verabschiedet, ebenso die Empfehlung des Regionalforums an die Gremien, auf eine Ortsumfahrung Kluftern zu verzichten. Die Teilnehmer bekamen im Schlussdokument die Gelegenheit zu eigenen Stellungnahmen. Hier einige Auszüge:

 

 

ProKluftern:

Überwiegend positiv äußert sich Pro Kluftern. Die Initiative lobt das Verfahren, das das Vertrauen aller Beteiligten befördert habe. Auch für Pro Kluftern habe die Umweltstudie gezeigt, dass die Beeinträchtigungen durch eine neue Straße durch deren Entlastungswirkung nicht kompensiert werden könnten. Die Initiative begrüßt die Option für ein zweites Eisenbahngleis. Nun müssten zentrale Aufgaben wie der Weiterbau der B-31-neu, der Ausbau von Schiene und Radwegenetz sowie der Umbau der Ortsdurchfahrten „mit hoher Priorität“ angegangen werden.

 

IG Klufterner Alternative (KlufA)

Die KlufA könne das Ergebnis „nur bedingt mittragen“, heißt es. Man sehe Unwägbarkeiten und Risiken und „keine Möglichkeit einer zeitnahen Verkehrsentlastung der Klufterner Bürger“. Sollte sich durch den B-31-Weiterbau Immenstaad – Meersburg keine Entlastung ergeben, sollte die Diskussion über eine OU Kluftern wieder aufgenommen werden.

 

IG Verkehrsplanung Ittendorf

Die IG befürwortet das Ergebnis. Nun müsse bei der Planung des B-31-Weiterbaus eine Lösung gefunden werden, die Ittendorf nicht benachteilige.

 

 

Naturschutzverbände

Von den Naturschützern wird die Empfehlung „sehr begrüßt“. Besonders positiv wird die Aufforderung der Mediation an die Politik gesehen, den Umweltverbund (ÖPNV) künftig so zu stärken, dass der Individualverkehr reduziert wird.

 

Stadt Markdorf

Als "sehr erfolgreich und professionell" bewertet Bürgermeister Georg Riedmann die Arbeit der Mediation. Einziger Kritikpunkt: Die "mediationsbegleitende Öffentlichkeitsarbeit" hätte zum Ende des Verfahrens hin noch transparenter gestaltet werden können.

 

 

Initiative „Liebenswertes Efrizweiler“:

Die BI unterstützt das Ergebnis „voll umfänglich“. Man stehe mit allen Mitgliedern dafür, dass Kluftern mit seinen Teilorten „keine Umfahrung benötigt, die nur die Landschaft zerschneidet“. Für künftige Verfahren sollte die regionale Presse früher eingebunden werden, damit auch direkt betroffene Anwohner von Beginn an gut informiert wären.

 

 

 

 

Die Mediation

 

Die Verkehrsmediation Kluftern wurde Ende 2014 ins Leben gerufen. Sie sollte ergebnisoffen eine Alternative für eine Ortsumfahrung Kluftern erarbeiten, nachdem die Kritik an der ursprünglich geplanten bahnparallelen Trasse nicht abgerissen war. An dem Verfahren waren verschiedene Gruppen beteiligt: Vertreter von Kommunen, des Kreises, von Verbänden sowie Initiativen, Planungsbüros und Fachgutachter. Entscheidungsgremium der Mediation war das Regionalforum mit Vertretern aller betroffener Gruppen. Zu 19 Sitzungen hatte sich das Regionalforum getroffen, 35 mal das Planungsteam. Sechs Vorzugsvarianten (siehe Grafik) wurden im Oktober 2016 vorgestellt. Nach eingehender Prüfung hinsichtlich Verkehrsprognosen, Lärmschutz, Umweltauswirkungen und Siedlungsbelangen wurden alle sechs Varianten verworfen und Anfang Mai dann die Null-Lösung beschlossen. Das heißt: Die Ortsdurchfahrt bleibt (sie soll verkehrsmindernd umgestaltet werden), es gibt keine Umfahrung. Das ist die Empfehlung an Kreistag und Gemeinderat Friedrichshafen. Diese Gremien müssen nun entscheiden.